Zeitsprung

Ich war schon etwas spät dran, als ich schließlich nach dem Abendessen den Weg vom Schlafsaal in den Gemeinschaftsraum antrat und mich in Gedanken immer noch darüber ärgerte, dass ich mich zu diesem Ball überreden hatte lassen. Doch Rabastan hatte stur darauf beharrt, dass ich mitkommen würde. Keine Ahnung, was er in diesen Events so sah. Es waren einfach nur viele Leute da, die Häuser vermischten sich untereinander und im Ballsaal - der die Große Halle darstellte, war es stickig und überfüllt. Schon allein die Vorstellung, dass Slytherin sich mit einem anderen Haus vermischen könnte, war einfach nicht zu ertragen.
Eine Begleitung hatte ich auch nicht. Wieso denn auch? Ich hatte kein Interesse daran, irgendwelche Mädchen nach einem Date zu fragen, auch wenn ich aus den Augenwinkeln mitbekommen hatte, dass sich ein paar schon darüber gefreut hätten. Doch für solche Schwärmereien, wie es auch viele Mädchen für meinen Bruder hatten, hatte ich schlicht weg einfach keinen Nerv.
Nun stand ich also hier, im Gemeinschaftsraum, und zupfte etwas unwillig an dem schlichten und einfach gehaltenen Festumhang herum, dessen Außenseite schwarz und das Futter königsblau war. Um die Schultern herum war er mit einer silbernen Brosche befestigt, auf deren Vorderseite kunstvoll das Familienwappen der Blacks eingraviert war. Es war ein Familienerbstück und bestimmt sehr wertvoll.
Unter dem Umhang trug ich eine schwarze Hose sowie gleichfarbiges Hemd mit ebenso königsblauen Knöpfen. Meine Haare hatte ich nur gekämmt, da ich komplizierte Zauber und Haargels für unnötig und völlige Energieverschwendung hielt. Vor allem bei meinen Haaren. Und sowieso: es war nur ein Ball. Nicht einmal mein Abschlussball, also nicht so wichtig.
Als dann endlich auch Rabastan auftauchte, der sich mit seiner Frisur etwas mehr Mühe gegeben hatte, hörte ich mit dem Zupfen auf und sah ihm stattdessen entgegen.
Na endlich! Dachte schon du kommst gar nicht mehr! Können wir das nun endlich hinter uns bringen?, fragte ich ihn sogleich und gab mir nicht einmal die Mühe, meine Genervtheit zu verbergen.
"Jetzt sei mal nicht so ungeduldig. Gut Ding braucht Weile!", lachte er und fügte dann noch feixend hinzu:
"Außerdem verstehe ich sowieso nicht, was so schlimm an einem Ball ist. Hab doch zur Abwechslung mal Spaß!"
Ich verdrehte nur die Augen und Rabastan sah wohl ein, dass er es lassen konnte.
Ich hab oft genug Spaß!, murrte ich leise vor mich hin, doch Rab schlug mir nur freundschaftlich auf den Rücken und machte sich dann schon auf den Weg in den Korridor. Ich folgte ihm etwas langsamer.

To: Große Halle

Da ich so früh schon zurück gekehrt war, war der Gemeinschaftsraum auagestorben. Mir war das nur recht. Ich verschwand kurz in den Schlafsaal um mich umzuziehen und setzte mich dann in aller Ruhe ans Feuer. Niemand da, der mich nerven konnte, nur das Knacken des Feuers, keine laute Musik.

⤝ Große Halle
Durch die zur Seite geschobene Wand betraten wir den Gemeinschaftsraum. Ein paar Schüler verschwanden gerade in ihren Schlafsälen. Und Alex Fierro saß bereits umgezogen beim Feuer. "Ein wirklich schöner Abend." Ich zog meinen Arm wieder an mich und drehte mich zu Anne. So das ich sie auch ansehen konnte. Selbst nach einem ganzen Abend tanzen war sie wirklich wunderschön. Ich war sicher meine Frisur hatte auch gehalten. So lange wie sie an meinen Haaren gezogen hatte. "Danke noch ein Mal für die Hilfe bei dem Kleid und den Haaren."
Ich sah kurz an mir selbst herab. Wobei ich außer den Rock nicht viel mehr als den Ausschnitt sehen konnte. Er war eben doch beachtlich. Das betonte ich normalerweise nicht so. Wäre beim Sport auch unpraktisch. "Ich hätte kaum schöner sein können." Ich sah auf, lachte vergnügt und spielte ein wenig mit dem Rock des Kleides. Ich trug einfach zu selten Kleider. Der ganze Stoff war ungewohnt. Zudem war er auch noch schwer. "Trotzdem. Ich werde mich jetzt wahrscheinlich umziehen gehen."

Ich nickte Alex leicht zu, als ich sie wieder in ihrer normalen Kleidung am Feuer sitzen sah, ehe ich mich wieder Emma zuwandte und sie anlächelte. Es war ein ehrliches Lächeln, nicht das übliche höfliche. Es war mir eine große Ehre und Freude. Ich musterte Emmas Frisur und ihr Kleid noch einmal, ganz bestimmt nicht ihren Ausschnitt, und bemerkte zu meiner Zufriedenheit, dass immer noch alles perfekt saß, trotz dieser langen Nacht. Du bist ganz ohne mein Zutun so schön. Meine Ohren wurden warm als ich diese Worte aussprach, doch sie waren wahr und irgendwie wollte ich sie einfach aussprechen.

Ein breites Lächeln zierte mein Gesicht. Während ich kurze lachen musste. Ich fand mich auch für hübsch. Auch wenn es nicht das Wichtigste in meinem Leben gab. Dazu gab es so viel mehr. Ich mochte Annes rote Ohren sehr. Man konnte sie aufgrund der perfekt hochgesteckten Frisur tatsächlich ein Mal sehen. "Das mag vielleicht stimmen." Ich zwinkerte ihr zu. Und erinnerte mich an etwas das mir heraus gerutscht war am Anfang des Abends. Ich hatte mich nie erklärt. Wir hatten allerdings auch etwas Stress gehabt recht zeitig zum Ball zu kommen. "Gleich und gleich gesellt sich gern. Você é linda. Das beschreibt dich wirklich perfekt. Ich denke es wäre 'Hinreißend' auf Englisch aber eigentlich wird dem das nicht gerecht." Das Wort war einfach keine genaue Übersetzung. Es bedeutete eigentlich noch eine Steigerung davon. Aber ein englisches Äquivalent fiel mir gerade nicht ein. "Aber ohne dein Zutun hätte ich mich nicht auf dem Ball zeigen lassen können. Eine Quidditch-Uniform wäre dort eher unpassend gewesen."
Ich lachte erneut. Und machte dann etwas zögerlich einen Schritt auf sie zu. Ein paar Sekunden ließ ich vergehen während ich überlegte. Dann lehnte ich mich allerdings doch vor. "Nun – Gute Nacht." Und küsste Anne ganz flüchtig auf die Wange. Kaum spürbar. Mehr wie ein Windhauch - ich war mir sicher. Bevor ich meine eigene Verlegenheit in mir hoch kochen spüren konnte verließ ich lieber wieder schnell den Raum. Auf zu meinem Schlafsaal mit den anderen Mädchen auf dem 5. Jahrgang. Bevor ich noch vollständig rot wurde.

From: Große Halle

Ziemlich lustlos und mit den Händen in den Umhangtaschen kam ich in den Gemeinschaftsraum von Slytherin geschlurft. Ich war nicht sofort hierher aufgebrochen, sondern hatte mich zuerst etwas in der Eingangshalle herumgedrückt, um zu sehen, ob Rabastan vielleicht ebenfalls bald vom Ball kommen würde, doch dies war nicht der Fall gewesen. Deshalb war ich schließlich gegangen, schließlich würde es dumm aussehen, wenn ich irgendwo ganz alleine an der Steinwand lehnen und die Leute beobachten würde, so, als hätte ich keine eigenen Freunde. Und noch dümmer wäre es gewesen, wenn ich mich auf die Steinstufen gesetzt hätte. Dann hätte ich ganz verloren gewirkt - das letzte, das ich wollte.
Als ich nun den schön geschmückten Raum betrat, konnte ich gerade noch erkennen, wie Vanity unserer Schulsprecherin Anne einen Kuss auf die Wange hauchte und dann Richtung der Schlafsäle verschwand.
Ich starrte noch kurz an die leere Stelle, wo die Kapitänin des Quidditchteams eben noch gestanden hatte, aber nicht aus dem Grund, weil ich mich für ihre Beziehungen interessierte oder mich gar über die Situation wunderte, sondern einfach deswegen, weil ich zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt war, um überhaupt etwas von meiner Umgebung richtig wahrzunehmen.
Schließlich setzte ich mich dennoch wieder in Bewegung, meine Schritte führten mich wie automatisch zu einem der gemütlichen Sessel, in den ich mich dann fallen ließ. Mein Blick war, wie fast immer, desinteressiert und nur geradeaus gerichtet. Ich würde jetzt warten, bis Rab vom Ball zurückkam und dann ins Bett gehen. Hoffentlich würde er mir die Ohren nicht volllabern und unbedingt den Drang verspüren, mir seine gesamte Ballnacht bis ins Detail zu erzählen...

Emma entschwand und ich hob die Hand um mir mit den Fingern leicht über die Wange und die Stelle zu streichen, die die Lippen meines Captains so flüchtig berührt hatten, wobei ich unbewusst die selbe Bewegung machte wie mein Zwilling nach Vashs Kuss. Die Röte von meinen Ohren strahlte auf meine Wangen aus, auch wegen Emmas Komplimenten von zuvor. Ich war schon häufig als hübsch bezeichnet worden, doch nie hatte es mir so viel bedeutet wie heute. Ich bemerkte Regulus und auch wenn er mich nicht anstarrte riss ich mich zusammen, ich durfte mich nicht so gehen lassen, und Alex war ja auch noch da. Gute Nacht. Ich beschloss noch auf Roderich zu warten, was nicht allzulange dauern sollte. Nun traf auch ich im Gemeinschaftsraum ein und sah dort, neben meiner Schwester, nur Regulus und Alex, Letztere war schon wieder umgezogen. Ich trat auf Anne zu und musterte sie kurz, sie war verlegen, das sah ich sofort, auch wenn das wohl sonst keiner erkennen konnte. Ich sah sie fragend an, doch da sie offenbar nicht darüber reden wollte wünschte ich ihr nur eine gute Nacht und trennte mich von ihr. Gute Nacht. Nein, ich wollte gerade nichtdarüber reden, ich wollte mich viel eher auf das angenehme Kribbeln in meinem Bauch konzentrieren und tat das auch, als ich die Treppen hinunter stieg. Gute Nacht.
(Schlafsäle der Jungen) (Schlafsäle der Mädchen)

Ich beobachtete amüsiert die Interaktion zwischen Emma und Anne, die beide in ihrer Beziehung nicht so recht weiter zu kommen schienen, doch wenigstens waren sie, bis auf die herungeworfenen Komplimente, nicht zum kotzen kitschig. Nach und nach leerte sich der Raum wieder, bis es nur noch Regulus und ich waren, wobei unser großer Sucher wirkte als hätte seine Seele den Körper verlassen in dem sie gelebt hatte. Naja, mir konnte das egal sein. Ich sah wieder entspannt ins Feuer und hörte ihm beim Knistern zu.

Wir trafen uns wie jeden Morgen im gemeinschaftsraum um gemeinsam Frühstücken zu gehen. Nach einem Kuss auf die Wange des jeweils anderen zogen wir auch schon los. Nach dem Frühstück folgten zwei Stunden Zaubertrankunterricht, dann zwei Freistunden zum lernen, die wir natürlich nutzen wollten.
(Schulbibliothek)

Es war ein neuer Tag und ich hatte keine Lust auf Unterricht. Dennoch raffte ich mich doch auf und spazierte los. Manches musste dann doch sein.
(Die oberen Stockwerke/Klassenzimmer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste)

Ich setzte mich mit meinem Astronomiebuch auf einen der Stühle nahe dem Feuer und überschlug die Beine, ehe ich mich zurück lehnte und für meine Hausaufgaben recherchierte. Meine Schulter schmerzte kaum noch, es war nur noch ein leichtes Pochen im Hintergrund.

Im Raum sah ich Roderich, der am lernen zu sein schien, doch sagte nichts, sonderm setzte mich stattdessen in einen einsam stehenden Sessel. Kurz fragge ich mich wo Anne stecken mochte, wurde dann aber von Nio abgelenkt, der zu mir geschlichen kam und mit einem Satz auf meinen Schoss, wo er es sich schnurrend bequem machte. Ein von mir selten gesehenes, sanftes Lächeln zeigte sich auf meinen Lippen, als ich dem Kniesel auf meinen Beinen das Fell kraulte.

Schließlich beschloss ich etwas ganz unglaubliches zu tun: Ich würde in die Bibliothek gehen. Mir war langweilig, ich wollte nicht unbedingt lernen, aber vielleicht fand sich da jemand zum reden oder auch zum Ärgern. Ich schnappte mir Nio und ließ ihn auf meine Schulter klettern, ehe ich losmarschierte.
(Die oberen Stockwerke/Schulbibliothek)

Mit sehr raschen, aber eleganten Schritten kam ich in den Gemeinschaftsraum und musste mich gar nicht lange umsehen um Roderich zu entdecken, ich spürte seine Präsenz und wandte mich direkt dort hin. Rod! Meine Schwester kam in den Raum gelaufen und wandte sich natürlich sofort mir zu. Ich erhob mich, ein Lächeln im Gesicht, denn ich wusste warum sie so aufgeregt war und ich wollte sie selbstverständlich beruhigen. Es geht mir gut An, es war nur ein kleiner Sturz. Ich eilte zu Roderich und hob die Hand, um sacht damit über seine Schulter zu streichen, auch ohne mich umzusehen ob uns jemand beobachtete, so aufgeregt war ich. Was ist geschehen? Ich ließ Anne einfach machen, denn ich verstand ihre Sorge nur zu gut, auch ich verspürte sie wann immer meiner Schwester etwas passierte. Ich bin die Treppen hinabgefallen, Finn saß auf einer der Stufen und hat seine Hausaufgaben geschrieben, ich hatte ihn übersehen und bin gefallen. Ich sah mich kurz um, fasste dann aber kurzentschlossen nach der Hand meines Zwillings und drückte sie fest. Ich hoffe ich habe dich nicht zu sehr erschreckt. Du bist nicht gestürzt oder so etwas? Ich hätte das vermutlich bemerkt, zumindest, wenn sie sich verletzt hätte, doch sie war ja nicht alleine gewesen. Das war sehr unvernünftig von Finn. Einmal mehr, er war ein fantastischer Hüter, tat aber oft Sachen die er lieber hätte lassen sollen. Dann schüttelte ich aber den Kopf und lächelte etwas. In Ordnung, ich bin froh, dass es dir wieder gut geht. Ich bin nicht gestürzt, aber es war knapp, Emma half mir meinen Besen wieder hochzuziehen.

Z E I T S P R U N G
Zum gegenwärtigen Geschehen

Nach der letzten Unterrichtsstunde des Tages hatte ich mich nur kurz in der Großen Halle aufgehalten, bevor ich mich unverzüglich in den Gemeinschaftsraum verzogen hatte. Zum Glück hatte ich heute keinen Nachmittagsunterricht und die Hausaufgaben waren so einfach, dass ich sie ganz einfach vor dem Schlafengehen erledigen konnte, weshalb ich jetzt etwas Zeit übrig hatte. Ganz alleine, da Rabastan noch irgendein Wahlfach hatte, ließ ich mich an einem Tische möglichst am Rand des Gemeinschaftsraums nieder und packte ein Buch aus meiner Tasche, dass den Titel
Stablose Magie
- und die Geheimnisse des Mittelalters
trug. Es war ein Buch aus der Verbotenen Abteilung, doch Dank einer Erlaubnis hatte ich den Zugriff darauf bekommen.
Nun schlug ich es auf der Seite auf, auf der ich das letzte Mal stehengeblieben war und begann weiter zu lesen.