Ich wusste, dass Nick Recht hatte. Ich konnte nicht einfach verschwinden, ohne es Teo zu sagen. Und doch war es so ein erster Reflex von mir gewesen. Einfach alles zu leugnen und zu tun, als ob es mir gut ginge. Ich konnte mir nicht erklären, wieso ich das gesagt hatte.
Teos Worte bedeuteten mir viel und auch, wenn man diese Sentimentalität eher den Mädchen zuordnete, so wusste ich es zu schätzen, dass Teo mir gleich ankannte, wenn es mir schlecht ging. Ich würde ihn sehr vermissen.
Stimmt. Teo ... es tut mir leid. Du bist mein bester Freund... und ich denke, ... also dachte ... wenn ich es nicht laut ausspreche ... Aber morgen ... Ich atmete einmal tief durch, um mich einigermaßen zu beruhigen und meine Stimme unter Kontrolle zu bringen. Ich musste definitiv taffer werden!
Ich werde Hogwarts morgen verlassen. Meine Mutter ... Ich schluckte hart, als ich erneut daran dachte.
Ihr geht es nicht gut. Gar nicht gut... Den letzten Satz murmelte ich nur mehr leise, doch ich zwang mich, weiterhin fest in Teos Augen zu blicken, so schwer es mir gerade auch fiel.

Teos Reaktion war keine Überraschung für mich und doch tat sie noch einmal so weh wie tausend Nadelstiche. Ich kannte ihn seit vier Jahren nun und er war immer der fröhliche, lustige Teo gewesen ... ich wollte nicht derjenige sein, der diesen "Ruf" zerstörte.
Dieses Lächeln, das er dann aufsetzte, war fast noch schlimmer, als der erschrockenen Ausdruck in seinen Augen. Ich starrte einfach weiterhin geradeaus, auch als Teo aus seiner Starre erwachte und sich auf der Armlehne meines Sessels niederließ. Den Arm, den er dabei um mich legte, konnte mir nur ein kleiner Trost sein. Ich konzentrierte mich auf die Gefühle, die in mir wütenden wie ein nimmersatter Sturm. Es war, als würde sich eine merkwürdige, unangenehme Taubheit über mich legen, die alle positiven Gefühle von mir fernhielt.
Ja. Werden wir., murmelte ich bloß vor mir hin und man konnte aus meiner Stimme hören, dass ich selbst nicht wirklich davon überzeugt war.
Wie sollte das denn auch funktionieren, wenn ein Meer und hunderte Kilometer zwischen uns liegen würden? Konnte Freundschaft auf Distanz funktionieren? Wem machte ich hier etwas vor? Sie würden mich einfach ersetzen... und mit der Zeit, würden sie mich auch vergessen haben.

Ich lächelte Teo schwach an. Seine Worte taten gut, auch wenn sie nichts mehr änderten. Morgen würde ich wieder alleine sein.
Kurz musste ich an Bjørn und Erik denken. Die beiden waren meine besten Freunde vor dem Umzug gewesen. Für einen kleinen Moment wurde das innere Trübsal von unerwarteter Vorfreude verdrängt. Vorfreude darauf, alte Bekannte wiederzusehen. Aber nur für einen kleinen Moment.
Denn dann rief ich mir ins Gedächtnis, wie unsere letzte Begegnung gelaufen war. Ich konnte mich noch zu gut an unsere erhitzten Gemüter und die Streitlust erinnern, die wir alle verspürt hatten.
Ihrer Meinung nach habe ich sie im Stich gelassen, mich einfach verpisst, ohne daran zu denken, was aus ihnen werden würde.
Aus meiner Sicht sind sie einfach verständnislose Trotteln gewesen, die nicht kapiert haben, dass ich nichts gegen den Umzug tun hatte können.
Es war nicht mein bester Abschied gewesen. Wir waren damals zehn... und so unglaublich dumm! Ich habe mich danach in den Schlaf geheult und am nächsten Morgen waren wir weg, ohne, dass ich die Dinge noch geraderücken hatte können.

Schnell drängte ich all diese Gedanken weg, als ich merkte, wozu das führen würde. Das anfängliche Lächeln in meinem Gesicht war schon wieder längst verschwunden.
Jetzt passierte es also wieder. Und ich dachte, nie wieder die Qualen eines Umzugs durchmachen zu müssen. Diesmal wollte ich wenigstens einen richtigen Abschied haben.
Ihr zwei seid die besten Freunde, die man haben kann, antwortete ich leise und legte nun meinerseits einen Arm um Teo, um ihn näher ziehen zu können.
Aber ich denke, mit dem Kamin wäre mein Vater nicht so ganz erfreut. Außer, wenn du auch bleibst um ihn zu putzen, scherzte ich halbherzig und versuchte mich erneut an einem schiefen Lächeln.

So saßen wir also da. Drei Kerle in einer Gruppenumarmung. Wäre der Grund dafür nicht so abgrundtief traurig und enttäuschend, würde ich jetzt in schallendes Gelächter ausbrechen. Schon alleine bei dem Gedanken daran, wie das wohl für einen Außenstehenden aussehen musste. Wir waren schon ein armseliges Häufchen. Ein armseliges Häufchen Elend. Und wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich das nicht zulassen. Ich konnte nicht zulassen, dass meine Freunde wegen mir traurig wären, schließlich musste man im Leben doch felsenfest ans Gute glauben, nicht? Deshalb würde ich jetzt die ganze Hoffnung in mir zusammennehmen und mit großer Überzeugung daran glauben, dass es tatsächlich stimmte, was sie sagten und wir uns irgendwann wiedersehen würden. Welcher Freund wäre ich, der die Freundschaft einfach so aufgab, ohne dafür zu kämpfen? Außerdem wollte ich nicht schon wieder einen verkorksten Abschied. Ich wollte Hogwarts mit einem breiten Lächeln verlassen, weil es das wert war.
Okay, Freunde des Trauerspiels, ich denke, wir sollten hoch in den Schlafsaal gehen, bevor ein Vertrauensschüler uns so vorfindet. Ich versuchte, neue Energie und auch neue Fröhlichkeit in meine Stimme zu legen. Ob es mir gelang, wusste ich nicht. Ich drückte meine beiden Freunde noch einmal fest an mich, bevor ich sie losließ und mich aus dem gemütlichen Ohrensessel aufrappelte. Etwas unschlüssig stand ich da und mied den Blick zu den beiden, während ich wartete, ob sie folgen würden.