Unser Vater mochte zwar etwas kriegerisch wirken, er hatte früher ebenfalls als Drachenwärter gearbeitet, allerdings hier in Britannien, immer bei der Familie, er war dennoch eindeutig der Größte in dieser Runde und überragte alle um mindestens einen Kopf. "Sehr erfreut, junge Dame.", meinte er höflich und ließ dann ein schmales Lächeln sehen, "Der bin ich, Mr. Burke ist aber vollkomnen ausreichend, auch wenn ich sehr stolz auf sie bin." Er sah zu seiner Frau, welche geduldig wartete und entschuldigte sich dann kurz bei Alex, um die Hand seiner Frau zu nehmen und einen hauchzarten Kuss auf ihren Handrücken zu drücken, während er seinen breiten Oberkörper nach vorne wie zu einer Verbeugung neigte. "Mae, wenn ich so forsch sein darf, du siehst heute bezaubernd aus" Meine Mutter lachte nur und nickte, beide waren sehr privat, aber es war nicht schwer zu erkennen, woher ich meine romantische Ader hatte. Mein Vater richtete sich wieder auf und wandte sich an die Runde, um dann laut in die Hände zu klatschen. "Dann lasst uns mit dem Abendessen beginnen!"

Ich nickte, Mr. Burke konnte ich also wirklich so nennen. Er wandte sich gleich seiner Frau zu und ich begann eingehend die Gemälde an der Wand zu betrachten. Bei Merlin, da hat der Junge also seine Weltansicht her. Laut klatschend machte Mr. Burke wieder auf sich aufmerksam und ich sah erneut zu ihm, nun würde also das Essen beginnen, wenigstens war so das merkwürdige Vorstellen vorbei.

Als hätte man das Klatschen durch das gesamte Anwesen gehört, wurde plötzlich der lange Esstisch aufgetischt von den Hauselfen, wie in einem Wimpernschlag, bevor plötzlich mehrere schwarze Rauchwolken am Ende des Raumes auftauchten, es waren meine anderen Verwandten, die ebenfalls im Anwesen wohnten. Caractacus Burke, welcher selbst auf dem riesigen Portrait abgebildet war, saß als einziger plötzlich stillschweigend am Kopf der Tafel, er sprach kein Wort, wie immer. Die Rauchwolken teilten sich und gaben meinen inzwischen sehr alten Großvater Herbert Burke, meine Tante und meinen Onkel frei. Sie grüßten Alex alle höflich, aber da mein Vater begonnen hatte damit anzufangen, nahmen sie schnell ihre Plätze ein. Wir saßen ganz unten an der Tafel, Aurelia saß mir normalerweise gegenüber, Alex hatte natürlich den Platz neben mir bekommen, ich schnappte mir sie also, um ihr den Platz zu zeigen, bevor ich mich ebenfalls setzte. Das war doch gar nicht so schlimm., flüsterte ich ihr grinsend zu, während mein Vater mit einer kleinen Ansprache das Essen eröffnete, er begrüßte noch einmal unseren Gast und alle Verwandten stellten sich namentlich vor, aber das war alles halb so wichtig, die meiste Zeit würde sie Alex wohl sowieso nicht zu Gesicht bekommen.

Nun kam auch noch der Rest der Familie dazu, deren Vorstellung zum Glück nicht ganz so eingehend war. Ich folgte Aurelien schließlich einfach wie ein braver Hund, da ich sonst nicht wusste wohin. Froh darüber neben meinem besten Freund zu sitzen nickte ich den Familienmitgliedern, deren Namen ich sofort wieder vergaß, zu und warf Aurelien dann einen genervten Blick zu. Du hast ja keine Ahnung.

Ein leises Lachen ertönte von mir und Aurelia, während unser Vater seine Ansprache mit einer amüsierten Bemerkung uns gegenüber, weil wir mehr oder weniger nicht aufgepasst hatten, beendete. Alex würde auch dieses lange Abendessen mit meiner Familie überstehen, wir würden aber auch nicht nur das in Zukunft gemeinsam durchstehen müssen. Wir würden noch einiges zusammen erleben, auch wenn Alex bald sich ihren Traum erfüllen konnte, und bald nicht nur den einen, wir hielten immer Kontakt und sie blieb für immer meine beste Freundin, oder in manchen Momenten, mein bester Freund. Ich absolvierte meine Ausbildung zum Heiler im St.-Mungo-Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen in Rekordzeit und ohne jegliche Probleme, während Aurelia sich ebenfalls schnell die Karriereleiter im Drachenreservat in Rumänien hochkämpfte, auf dem besten Wege vom Drachenwärter zum Drachenmeister. Es war eine schwere Zeit, aus mehreren Gründen, aber Kriegsverletzungen wurden immer häufiger und immer schlimmer, der Krieg war unaufhaltsam, vor allem in England. Es war schwierig, eine freie Minute für mich zu gewinnen. Ich liebte meinen Job, ohne Frage, aber nicht alle Verletzungen ließen sich so leicht vergessen, auch war oft leider der Tod nicht weit, und meine Liebsten doch viele weit entfernt von mir. Ich hatte mich schließlich entgegen der Wünsche von Falcon dafür entschieden in England zu bleiben und wir hatten es mir einer Fernbeziehung wirklich versucht, aber der Kontakt von seiner Seite war immer und immer weniger geworden, bis er mich schließlich eines Tages mit zwanzig auf dem Weg von der Arbeit überrascht und zu einem spontanen Date eingeladen hatte. Wie ich später erfahren würde, war das allerdings nur seine Art gewesen, mich leichter sitzen zu lassen, während er mir immer noch nicht die Frage hatte beantworten können, ob er nun jemand neuen gefunden hatte. Ich war verzweifelt gewesen und hatte mich krankgemeldet, um mich dann dorthin zu bewegen, wo ich mich schon immer am wohlsten gefühlt hatte, zur Natur.

Der Verbotene Wald war vielleicht nicht der ideale Ort um spazieren zu gehen, aber ich hatte in meiner Verzweiflung und meinem Liebeskummer gar keine andere Idee gehabt. Hogwarts war gefühlt so nah und ich konnte sehnsüchtig in die Richtung des Schlosses sehen, das man selbst von Hogsmeade gut erahnen konnte, wo meine Beziehung mit Falcon begonnen hatte. Es waren einfachere Zeiten gewesen, in denen nicht all diese Dinge dazwischengekommen waren, aber ich wusste, dass mir meine Freunde sagen würden, dass ich gerade alles durch eine rosarote Brille sah. Trotzdem war es nicht einfach sich davon loszusagen, während ich am Waldrand entlangwanderte und schlussendlich in Tränen ausbrach. An einem recht niedrigen Felsen ließ ich mich dann schließlich elegant nieder, meine Beine zusammen und zur Seite platziert, die Zehen in meinen Stiefeln wie immer angewinkelt. Es dauerte nicht lange, da begannen bitterliche Tränen über meine Wangen zu rollen, während ich mein Gesicht in meinen Händen vergrub. Immerhin war ich hier alleine und niemand würde meine erbärmliche Traurigkeit zu sehen bekommen. Zumindest hatte ich mir das so gedacht. Denn, einen Bogen über die Schulter und im lockeren Trab, dann später im langsamen Schritt, kam jemand auf mich zu, der einige Meter von mir entfernt stehen blieb und fragte: "Weshalb weinst du Menschenkind?" Viel zu tief in meinen Kummer versunken, hatte ich nicht bemerkt, dass sich mir jemand genähert hatte, als ich plötzlich eine warme, aber tiefe Stimme hörte. Ich war zusammengezuckt, da ich eigentlich gehofft hatte alleine zu sein, bewegte meinen Blick aber dann doch nach oben und erkannte einen wunderschöner, muskulöser Zentaur mit weißem Fell und mir klappte erst einmal sehr unsittlich der Mund auf. Einen Moment vergaß ich komplett, wie erbärmlich ich gerade aussehen musste, bevor ich mich wieder fasste und es zumindest schaffte den Mund zu schließen. "Ich habe alles verloren." Das waren meine ersten Worte an den Zentauren gewesen, der noch mein Leben verändern sollte. Ich hatte alles verloren geglaubt und war doch im Begriff so viel zu gewinnen. Er hatte gelächelt, eine rechte Hand über seiner linken Brust platziert und sich vor mir verneigt, um sich dann als "Osiris" vorzustellen, und sich sogar neben mir niederzulassen. Er hatte meiner gesamten Geschichte zugehört, später erzählte er mir, dass er in diesem Moment an nichts anderes hatte denken können, wie das ich unter den Menschen wohl als Erwachsener galt, doch auf ihn in dem Moment wie ein junges Fohlen gewirkt hatte.

Es hatte so gut getan wieder über alles zu sprechen, über meine Wurzeln, woher ich kam und was ich wollte, was in meinem Leben passiert war, was für einen schweren Herzschmerz ich in meinem Liebeskummer um meine verflossene Liebe verspürte. Aber Osiris hatte mir seine Aufmerksamkeit und seine Zeit geschenkt. Er war sympathisch und freundlich. Zentauren hatten nicht überall in der magischen Gesellschaft einen guten Ruf, weil sie gerne unter sich und in ihrer Herde blieben, aber selbst wenn ich solche Klischees für wahrheitsgemäß empfunden hätte, wären alle meine Zweifel an diesen majestätischen Geschöpfen in den folgenden Stunden verschwunden. "Heilen ist eine noblere Fähigkeit als lediglich stark im Kampf zu sein. Ich selbst verfüge zwar über keine magischen Fähigkeiten, kenne mich aber mit Heilkräutern aus." Er hatte mir auch ein wenig von sich selbst erzählt, bevor er kurzerhand beschlossen hatte, mich auf die Jagd mitzunehmen. Tatsächlich konnte ich hilfreich sein und eine Tierspur entdecken, während ich andächtig beobachtete, wie elegant und respektvoll Osiris jagte. Er legte seine Hand auf den rauen Nacken des Ebers, welcher seinen letzten Atemzug auf dieser Seite des Lebens ausstieß. "Ich danke dir, Bruder." Um ganz die Wahrheit zu erzählen, ich würde lügen, wenn ich nicht behaupten würde, dass als ich das erste Mal aufstand, um ihm tiefer in den Wald zu folgen, ich nicht bereits etwas gefühlt hatte, das ich später noch viel besser kennenlernen würde. Osiris war wirklich groß gewesen, ich ging ihm, selbst komplett gerade dastehend und mit den minimalen Absätzen meiner Stiefel, gerade einmal an die Brust und musste so meinen Kopf in den Nacken legen, um sein Gesicht richtig erkennen zu können. Er war groß und stark und edel. Und noch so viel mehr.

Ich war so unendlich traurig gewesen wie noch nie und hatte mich absolut verlassen gefühlt, als wäre ich allein auf dieser Welt, doch wie ein Wunder hatte ich Osiris kennengelernt, als ich gerade weinend im Wald saß. Klischeehaft, vielleicht, aber ich hatte mich so verloren gefühlt und durch Osiris wieder die richtige Richtung gefunden. Osiris war ein Zentaur und unsere Beziehung war demnach nicht in allen Aspekten besonders einfach, aber ich konnte mein Glück noch immer nicht fassen und fragte mich lange, wie ich es denn nun geschafft hatte, ihn davon zu überzeugen, dass ich es wert war geliebt zu werden. Ich hatte ihn damals in tiefstem Liebeskummer mit zwanzig kennengelernt und hatte mich absolut hoffnungslos in ihn verknallt, wider aller sozialen Normen. Aber auch wenn ich immer schon sehr schnell Gefühle für jemanden entwickelt hatte, ließ ich mir dieses Mal Zeit. Ich baute eine Freundschaft, man konnte beinahe behaupten Partnerschaft, zu Osiris auf. Wir lernen uns wirklich kennen und er zeigte mir einen anderen Weg, wie man seine Liebe finden konnte. In meiner Jugendzeit war ich in gewisser Weise ziemlich leicht zu haben gewesen, da ich auch immer mit deutlicher Naivität an die Sache der Liebe herangegangen war und dachte, dass eine körperliche Beziehung völlig dafür ausreichte. Aber Osiris hatte mir gezeigt, dass Liebe noch ganz viele andere Bedeutungen haben konnte. Osiris war so anders als meine Liebschaften früher gewesen, er nahm Rücksicht und ließ sich Zeit und mir die Freiheit alles richtig kennenzulernen. Wir waren alles Kinder der Natur und ich in seinen Augen noch jung, weshalb er mich vorsichtig auf allen Wegen begleitete, wie einen Reisegefährten durch das Leben. Diese flüchtigen Beziehungen, die ich damals für die Liebe meines Lebens gehalten hatte, verblassten immer weiter in meinen Erinnerungen. Nun, wo ich jemandem allerdings wirklich vollkommen verfallen war, langsam und über den natürlichen Verlauf der Zeit, jemand mit und für den ich auch für unsere Beziehung kämpfen wollte, nun wusste ich, was Liebe wirklich war. Ich mochte Erfahrungen mit Werwölfen, Drachenwärtern und anderen starken Männern gehabt haben, aber ein Zentaur war noch einmal ein anderes Wesen. Nicht, das ich mich beschwerte, ganz im Gegenteil, ich hatte schon immer ein gewisses Faible für alles, was nicht rein menschlich war, gehabt. Aber Osiris war so viel mehr als das, er war wahrhaftig auch so viel mehr, als ich es mir jemals hatte vorstellen können und selbst dann, als ich schon seit Jahren im schönen Ort Hogsmeade, nahe an der Grenze des Verbotenen Waldes, in meinem Häuschen mit meinem festen Partner Osiris lebte, war ich noch immer überglücklich ihn zu sehen. Wir fanden immer zueinander, aber selbst wenn nicht, wir hatten unsere Zeichen, ich hatte meinen Zauberstab, mit dem ich Avis wirken konnte, und Osiris hatte seinen Bogen, mit dem er einen Pfeil kerzengerade nach oben schießen konnte. Gerade aber musste ich nicht nach ihm suchen, denn er stand bereits am Tor zu dem kleinen Garten, der unser nettes Häuschen umgab. Ich nahm meine Beine in die Hand und rannte auf ihn zu, um ihn dann förmlich anzuspringen, aber ich wusste ja, er würde mich auffangen. Tatsächlich stützten sogleich zwei starken Hände meine Oberschenkel, während ich meine Beine halb um seinen Oberkörper, und meine Arme um seinen Hals schlang, um ihn stürmisch zu küssen. Osiris würde mich immer auffangen, er war mein Fels in der Brandung, die Liebe meines Lebens, verheiratet oder nicht, akzeptiert oder verrufen. Osiris war mein Partner fürs Leben und nichts und niemand konnte etwas daran ändern.

Es würde eine sehr aufregende Zeit werden, in dem riesigen Anwesen der Familie Burke, mit all den Verwandten der Zwillingen, den Gepflogenheiten, den Pferden, dem reiten... Denn tatsächlich bekam Aurelien mich einmal auf ein Pferd, ich fiel nicht einmal herab.
Ich arbeitete hart für meinen Traum, jeden Job den ich in die Finger bekam erledigte ich und sparte jeden einzelnen Pence zusammen, bis ich mir sicher war genügend Geld beisammen zu haben mir in Mexiko ein neues Leben aufbauen zu können. Das tat ich dann auch, ich kaufte den alten Laden meines Großvaters zurück und eröffnete ihn wieder. Doch ich fand nicht nur die Erfüllung meines ewigen Traums, nein, ich fand auch etwas, von dem ich nie gedacht hätte, dass ausgerechnet ich es finden würde, denn ich hatte nicht danach gesucht. Einen Partner. Magnus Chase mit seinen langen, blonden Haaren und seinem dummen Grinsen. Magnus mit seiner komplexen Familiengeschichte und bunten Vergangenheit. Magnus mit seinen beiden inoffiziellen Adoptivvätern, die mich trotz meiner Art bei sich aufnahmen. Magnus, den ich von Anfang an angeschimpft hatte, doch der sich aus irgendeinem Grund trotzdem für mich interessiert hatte und bereit war mir so viel Raum zu geben wie ich wollte. Und oh Junge hatte ich Raum gebraucht. Schließlich nahmen wir die erste Hürde, dann die Zweite und immer weiter, alles gemeinsam. Ich würde für all das Gute in meinem Leben kämpfen und sterben, Ersteres hatte ich durchaus auch schon getan, als der Krieg etwas nach Amerika übergeschwappt war. Das Zentrum hatte in England getobt, doch auch hier und da waren Fanaten aufgetaucht, die doch tatsächlich meinten sie dürften meine Familie angreifen, nur weil der eine oder andere nicht ganz so reinblütig war wie sie es sich wünschten. Nun, diese Idioten gab es bald schon nicht mehr. Ich würde glücklich sein, irgendwann, glücklich mit allem was ich hatte und haben konnte. Irgendwann war sogar ich endgültig erwachsen geworden, doch meine scharfe Zunge würde ich nie verlieren, die würde ich mit ins Grab nehmen. Jahre später würden wir vielleicht sogar heiraten, doch bis dahin hatten wir unsere Träume denen wir nachjagen wollten. Ich hatte meinen Laden und Magnus sein Heim für Jugendliche. Immer noch zog ich ihn auf und schimpfte, doch schon lange hatten meine Worte ihren Biss verloren. Ich würde ihn nicht mehr hergeben, ich gab nie etwas her was ich einmal für mich entdeckt hatte. Nicht meinen besten Freund Aurelien, nicht meine neue Familie, nicht meinen Laden.