Für jeden nur erdenklichen Anlass. Ich folgte Aurelien schließlich einfach, ich kannte mich hier schließlich nicht im Geringsten aus, das Gebäude war einfach viel zu groß und zu kompliziert. Tu ich doch schon.

Gut, vertraust du mir?, fragte ich schließlich und grinste, Dann musst du meine Hand nehmen. Ich hielt Alex meine Hand sehr locker hin, freundschaftlich, während wir vor meinem Familienwappen anhielten. Das Wappen meiner Familie war ein schwarzer Hintergrund mit einer dunkelgrauen Hand des Ruhmes in der Mitte und einer orangefarbenen Flamme in der Handfläche. Unter vielen wurde sie auch als "der beste Freund der Diebe und Plünderer" bezeichnet. Unter ihr befand sich unser Familienmotto "Ardebat flamma tenebris." oder auch "Eine Flamme brennt heller in der Dunkelheit." Es ließ mich immer wieder lächeln, auch wenn ich wusste, dass es eine Verbindung zur dunklen Magie schlug, denn in meinem Kopf sollte man sich nicht vor der Dunkelheit fürchten, denn sie wäre nicht da, wenn das Licht nicht irgendwo anders helfen würde.

Oh Merlin, was ist das jetzt für eine Frage? Willst du mich dem Hausdrachen zum Fraß vorwerfen? Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass die Burkes mitten in diesem Anwesen einen Drachen hielten, das Gebäude war auch einfach viel zu groß um einen anderen Schluss zuzulassen. Bilde dir bloß nichts darauf ein. Damit legte ich meine Hand in Aureliens und harrte meinem Schicksal.

Du glaubst nicht ernsthaft, dass wenn wir einen Hausdrachen hätten, Lia jemals aufhören könnte darüber zu reden?, meinte ich nur und lachte, auch wenn es wohl durchaus realistisch war. Stattdessen sagte ich, um meine eigene Haut zu retten, nichts darüber, dass wir gerade Händchen hielten, und wandte mich stattdessen unserem Familienwappen zu. Ardebat flamma tenebris., sprach ich laut unser Familienmotto aus, während man beinahe die dunkle Magie, die das Wappen ausstrahlte spüren konnte. Die Wände schienen leicht zu zittern, während die Flamme in unserem Familienwappen, die in der Handfläche der Hand des Ruhmes brannte, aufflammte. Ich hielt meine freie Hand nach vorne, als würde ich nach etwas greifen wollen. Aurelien Elvetian Burke, Urgroßenkel von Caractacus Burke. Esszimmer. Plötzlich kam die Hand des Ruhmes aus dem Familienwappen heraus und griff sich meine Hand, bevor sie uns in das Wappen hineinzog, kurz hüllte uns schwarzer Nebel ein und prompt landeten wir im Esszimmer. Es war ein riesiger Saal mit einem noch riesigeren Tisch und einem riesigen Portrait von Caractacus Burke darauf, der einen immer zu beobachten schien. Der kleine alte Zauberer konnte kaum unter seiner Haarmatte hervorlugen und wirkt nicht vertrauenserweckend, sondern eher misstrauisch und verschlagen.

Ich beschloss gar nicht erst weiter nachzufragen, denn ich erwartete schon, dass Aurelien mich in eine andere Dimension verschleppen würde, weil... einen Grund konnte ich dazu gerade nicht finden, aber das war ja wohl auch nicht meine Aufgabe. Ich war in der Zaubererwelt aufgewachsen, es überraschte mich nicht allzu sehr, als die krüppelige Hand nach Aurelien grapschte und uns ins Wappen zog, allerdings dann schon etwas, dass wir tatsächlich im Esszimmer gelandet waren. Es war etwa so groß wie ein Fußballfeld und das Portrait an der Wand gefiel mir nicht, gerne hätte ich es angezündet, aber erstens waren Zaubererportraits nicht so leicht entflammbar wie die der Muggel und Zweitens wollte ich es mir dann doch noch nicht mit den Burkes verscherzen. Was habt ihr hier eigentlich nicht? Auch noch ein magisches Transportmittel, der Weg durch die viele Gänge würde sonst Tage dauern, nicht wahr?

Wer sagt, dass man damit nur im Anwesen herumreisen kann?, meinte ich grinsend, an den Wänden angereiht standen mehrere Vitrinen mit schwarzmagischen Artefakten, aber viel interessanter waren noch die Wände selbst, auf denen sich ein riesiger Stammbaum der Familie ausbreitete. Man kann damit im Anwesen herumreisen, oder in unser Geschäft oder noch an einige andere Orte, sollte man verschwinden müssen.

Ich sah Aurelien einige Momente lang schweigend an, löste dann meine Hand aus seiner und ging in den Raum hinein, um ihn zu erkunden, während ich mit der Hand eine wegwerfende Bewegung machte. Nein, ich will gar nicht wissen warum deine Familie sowas braucht, ich hab schon so genug Probleme mit den Gesetzeshütern.

"Probleme mit Gesetzeshütern?", hörte man plötzlich eine leicht belustigte, aber sanfte Stimme, die meiner Mutter. Aurelia stand neben ihr in der Tür, sie trug ein wunderschönes cremefarbenes Kleid, dazu passende Accessories. Alles war sehr dezent gehalten. Neben ihr war unsere Mutter aber noch immer eine wahre Schönheit, sie trug ein elegantes rotes Kleid mit goldenen Verzierungen, welches ausgezeichnet zu ihren natürlich roten Haaren passte. Ihre Augen waren ähnlich wie unsere goldbraun und sie strahlte wie immer eine gewisse Wärme und Geborgenheit aus. Wenn man sie ansah konnte man ihre Wurzeln als Wassermensch wohl deutlich besser spekulieren als unsere. Sie war etwa 1,68cm groß und lag damit genau zwischen mir und Aurelia, wirkte allerdings durch ihre nahezu königliche Haltung deutlich größer. "Du musst Alex sein, es freut mich dich kennenzulernen. Ich habe schon viel von dir gehört." Sie hielt Alex ihre Hand hin, um sie zu schütteln, sehr informell. "Ich bin Duchess Mae Helene Viktoria Burke, aber bitte, nenn mich Mrs. Burke, das ist vollkommen ausreichend und auch nicht so eine reine Formsache."

Ich kam nicht umhin etwas ertappt drein zu sehen, als ich mich umdrehte und eine Frau erblickte, die sich kaum vorzustellen brauchte, das war eindeutig Aureliens und Aurelias Mutter, die Herrin des Hauses. Ich warf Aurelien einen beinahe hilflosen Blick zu und richtete mich dann mit falscher Selbstsicherheit auf. Ich war größer als sie, doch sie strahlte wesentlich mehr Eleganz aus. Allerdings hatte ich es darauf auch nie in meinem Leben ausgelegt, zum Glück. Komm schon Fierro, verkack das nicht. Ich ging auf Mrs. Burke zu und gab ihr artig die Hand. Freut mich. Richtig, ich bin Alex Fierro, danke, dass ich hier sein darf Mrs. Burke.

"Es freut mich die beste Freundin meines Sohnes kennenzulernen, wir haben dich gerne hier.", entgegnete meine Mutter und lächelte freundlich, "Sie/Ihr ist momentan angemessen, richtig? Aurelien meinte, ich solle lieber nachfragen, auch wenn ich mir sicher bin es ist eigentlich offensichtlich." Alex war schließlich ein talentierter Metamorphmagus und meine Mutter alles andere als unsensibel. Ich hatte ihr die Sache mit der Genderfluidität erklärt, allerdings schien es für sie gar kein so neues Konzept, unser Vater war anfangs etwas verwirrt gewesen, aber auch er würde niemals etwas tun, um jemand anderen absichtlich zu beleidigen oder vor den Kopf zu stoßen, davon abgesehen, dass er sowieso deutlich weniger sprach. Ich lächelte den beiden glücklich zu, zumindest die Vorstellung schien ganz gut zu laufen.

Ja wirklich? Ich warf Aurelien ein Grinsem zu. Er erzählte also von mir als seine beste Freundin? Wie süß. Gut, er war ja auch mein bester Freund, irgendwie war ich da nicht drumherum gekommen, aber das so zu hören war durchaus witzig. Etwas überrascht sah ich Mrs. Burke dann allerdings an, als sie indirekt auf meine Genderfluität zu sprechen kam. Ich hatte nicht damot gerechnet, dass sie davon wusste, geschweige denn, dass es sie interessierte. Ich war beinahe bereit gewesen falsches Gendern ausnahmsweise zu ignorieren, weil ich mir das hier nicht verbauen wollte. Das ist richtig, ich weiß auch nicht warum manche es schaffen das falsch zu sehen. Ich hatte jetzt aber auch nicht damit gerechnet, dass Sie dafür irgendein Interesse zeigen würden.

Spaßeshalber genervt verdrehte ich nur die Augen, auch wenn meine Mutter mir dafür einen etwas spitzen Blick zuwarf, den ich mit einem unschuldigen Lächeln erwiderte. Ich wusste, dass sie viel davon hielt, unsere Gefühle ehrlich zuzugeben, aber so waren Alex und ich nun einmal, das ewige hin und her gehörte einfach dazu. Sie lachte nur leise und nickte, als hätte Alex gerade nicht zugegeben, dass sie sich eigentlich schon darauf eingestellt hatte, dass es sie nicht interessieren würde. "Oh, ich bin sicher, es gibt genügend unsensible, blinde Seelen da draußen.", sagte sie und fügte dann hinzu, "Ich mag zwar schon etwas älter sein, aber das ist nicht das erste Mal, dass ich so jemanden kennenlerne." Unsere Mutter war vierzig, nicht, dass man es ihr ansehen konnte, sie hatte mich und Aurelia damals mit dreiundzwanzig bekommen. Unser Vater war fünf Jahre älter, ihm sah man seine Jahre allerdings auch an. Aurelia hatte sich inzwischen zu mir gesellt und lehnte nun mit ihrem Kopf an meiner Schulter. Wo ist Vater? "Er ist noch nicht hier? Dabei freut er sich doch eigentlich immer um seine Gäste, nun, dann wird er wohl einen Ausritt gemacht haben." Unsere Eltern verbrachten tatsächlich nur wenig Zeit getrennt, jede freie Minute wandten sie sich einander zu, sie führten eine sehr private, aber auch sehr liebevolle Beziehung, die mein Bild von der Liebe auch stark geprägt hatte. Die beiden waren Seelenverwandte, ich wusste es einfach, egal für wie kitschig mich Aurelia oder Alex halten mochten.

Das können Sie laut sagen. Nun fand ich langsam wieder zu meiner alten Form zurück, während ich aber immer noch versuchte die Balance zur Höflichkeit zu halten, was mir entsprechend schwer fiel. Oh, es gibt mehr von uns als es sich die meisten versuchen einzureden. Ich war mit meiner genderfluität auf keinen Fall alleine und das war durchaus beruhigend. Ich sah zu Aurelien und Aurelie hinüber und zog eine Augenbraue hoch, allerdings fragte ich nicht nach, obwohl es mich schon interessieren würde wo ihr Vater steckte, nicht, dass ich darauf brannte jetzt auch noch ihn kennenzulernen, mit Mrs. Burke lief es gerade okay, aber wer wusste schon wie der Vater war?

Unsere Mutter lächelte amüsiert, sie schien sich gut mit Alex zu unterhalten, aber sie kam auch mit den schwierigsten Seelen zurecht, nicht alle unsere Verwandten waren so, aber sie kam auch nicht aus der Familie Burke selbst, sondern von einer anderen reinblütigen Adelsfamilie aus einer anderen Gegend. "Ich bin sicher, er wird bald eintreffen, so wie ich ihn kenne.", meinte sie lächelnd und tatsächlich, als hätte sie mehr gewusst als wir, ertönte plötzlich eine tiefe Stimme. "Wie kennst du mich denn?", fragte ein großer, kräftiger Mann mit längerem, braunen Haar. Er war äußerst muskulös und hatte braungebrannte Haut, die von vielen Narben gekennzeichnet war, dazu einen kurzen Bart. Er hatte meistens sehr viel zu tun, da blieb wenig Zeit für Hobbies, nur seiner Frau widmete er sich jeder freien Minute, die beiden einzeln anzutreffen war daher selten. Er trug sehr traditionelle Roben für Zauberer. "Es freut mich, dich hier in unserem ehrwürdigen Anwesen begrüßen zu dürfen. Ich habe gehört, wir werden dir vorerst Unterkunft gewähren.", sagte er schließlich und musterte Alex einmal genau, "Alex, bin ich da richtig?"

Wenn man vom Teufel spricht. Mr. Buke tauchte nun hinter Mrs. Burke auf, ein muskulöser Mann mit langem, braunen Haar und Bart, gekleidet in äußerst teuer aussehende Roben. Jetzt fühlte ich mich aber wirklich underdressed, allerdings hatte ich sonst nicht viel schickes was nicht mein Abendkleid für den Ball gewesen war. Richtig... Freut mich, ja, ich bin Alex, die Pronomen sind im Moment sie/ihr. Sie sind also Aureliens und Aurelias Vater? Ich war mir nicht recht sicher ob ich ihn nun Mr. Burke nennen konnte oder nicht, die Zwillinge hatten mir das zwar so gesagt, aber wer wusste schon was im Kopf einer solchen Person dann wirklich umging? Ich wollte hier wirklich nicht schon am ersten Abend rausfliegen, auch wenn ich mich zunehmend unwohl fühlte. Das lag nicht direkt an der Familie Burke, die bisher alle nett gewesen waren, sondern einfach an der ganze Aura die diesem Ort Inne wohnte.