Die Okklumentik erwies sich schwieriger als ich dachte. Ich hatte schon Erfahrung darin, die Gefühle aus meinem Gesicht zu verbannen, aber den Kopf so vollständig zu leeren, dass keiner dort die Erinnerungen oder Emotionen finden könnte, erschien mir fast unmöglich. Der erste Versuch zeigte schon, dass ich zusammen mit dem Erinnerung auch die Gefühle wieder empfand und mich dazu verleiten ließ, sie zu genießen. Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte es mir vorzustellen, wie es doch wäre, wenn die Lehrerin nicht nur als stiller Beobachter, sondern als der Angreifer in meinen Kopf eingedrungen wäre. Es schien mir fast pervers, diese Erfahrung machen zu wollen. Und dennoch sagte ich: "Professor, greifen Sie mich bitte an. Ich muss wissen, gegen was ich kämpfen sollte." Ich war nicht so arrogant zu denken, dass ich ihren Angriff abwehren werde. Wahrscheinlich wird sie die peinlichsten und schrecklichsten Sachen zu sehen bekommen und ich werde nicht im Stande sein, Sie aufzuhalten. Aber ich werde es versuchen.

Einen Moment wartete ich und nickte leicht abwesend, bevor ich in einer schnellen Bewegung wieder meinen Zauberstab erhob und ihn erneut gegen Mr. Snape richtete. Ich gab ihm dieses Mal weniger Zeit sich darauf vorzubereiten, denn bei einem direkten Angriff würde er auch nicht besonders viel Zeit haben, wenn er überhaupt welche hatte. Ich tat es nicht um ihn zu quälen, sondern einfach nur, damit ich ihn darauf vorbereiten konnte, was passieren konnte, wenn man wirklich angegriffen wurde. Legilimens! Dieses Mal ging ich mit der Intention vor, nicht einfach zuzusehen, sondern absichtlich seinen Kopf zu durchforsten. Es würde nicht angenehm werden, aber er hatte es sich gewünscht und irgendwie musste ich ihn auch vorbereiten, so unangenehm es auch sein würde.

Noch bevor ich mich konzentrieren konnte, richtete sie ihren Zauberstab auf mich und drang diesmal brutaler in meinen Kopf. Verzweifelt kämpfte ich darum, meinen Geist zu leeren, aber die Lehrerin war stark und drang in mein Unterbewusstsein und fand etwas, woran ich nie dachte. Oder zumindest habe ich es immer versucht, aus meinen Erinnerungen zu verbannen.
Meine Wange brannte. Die Hand meines Vaters, die mir gerade eine Ohrfeige verpasste, war zu einer drohenden Faust direkt vor meiner Nase geballt und ich schielte drauf und hatte einfach Angst, dass der nächste Schlag mich umbringt. „Hast du es jetzt verstanden?“, brüllte er mich an und ich roch einen alten Schweiß und Alkohol. „Ja“, flüsterte ich zur Antwort. “Ja, was?“, knurrte er und mit den zwei Worten kam auch die Spucke raus aus seinem Mund und landete auf meinem Gesicht. “Ja, Sir“, meinte ich und hoffte, dass es diesmal das war, was er hören wollte.
Egal, wie stark ich mich anstrengte, konnte ich Professor Shin nicht daran hindern, sich alles anzusehen, was sie wollte.
Ein Mädchen lachte höhnisch. “Was trägst du überhaupt? Ist das eine Frauenbluse?“ Sie zeigte auf mich mit dem Finger und versuchte Lily wegzuziehen. Mein Gesicht brannte vor Scham. “Vielleicht möchte deine Mummy, dass du dich in ein Mädchen verwandelst. Wollte sie lieber eine Tochter und ist jetzt enttäuscht, dass sie einen hässlichen Burschen gebar?“ Wütend machte ich eine schnelle Bewegung mit der Hand. Ich erreichte sie nicht und trotzdem fiel sie hin. Erschrocken und wütend funkelte sie mich an. “Wir gehen Lily. Er ist böse. Du solltest nicht mit ihm reden. Ich sag es Mama.“ Den letzten Satz warf sie mir drohend zu. Lily sah mich entschuldigend an, aber folgte gehorsam ihrer älteren Schwester.
Ich schüttelte den Kopf, als ob es mir helfen könnte. Tat es aber nicht.
“Tobias, lass ihn. Es ist nicht seine Schuld“, rief meine Mutter verzweifelt. Ich lag auf dem Boden und weinte. „Ich werde das Geld besorgen. Lass den Jungen. Er wollte sich nur einen Pulli kaufen.“ Vater drehte sich Mutter zu und schüttelte ihre Hand von seiner Schulter. “Dann sollte er sich das Geld dafür verdienen und nicht stehlen“, brüllte er. “Severus ist erst zehn, er kann doch nicht…“ Weiter kam sie nicht. Er holte wieder aus und die Hand, in der er seinen Ledergurt hielt, verpasste mir einen weiteren Schlag. Ich schrie. Meine Mutter tat das Gleiche und versuchte ihm den Gurt wegzunehmen. Dann Schlug er sie. Als sie zu Boden fiel, verpasste er ihr noch einen Tritt. Etwas knackste. „Mutter!!“, weinte ich.
Mein Kopf tat weh. Ich konnte nichts tun. Ich wusste nicht wie. Weitere Bilder erschienen: Potter und Black die mich entwaffneten und in einen Besenschrank einsperrten. Petunia Evans, die mir Beleidigungen zuschrie. Mein dunkles, kaltes Zimmer, wo ich seit ganzem Tag und Nacht alleine und ohne Essen war; den Schnee von der Fensterbank in den Händen zu schmelzen versuchte und es dann trank. Fierros gemeines Grinsen. Pettigrew, der Müll in meine Schultasche leerte, was Black amüsierte.
“Stop, bitte hören Sie auf!“, flehte ich und sank zu Boden. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Wie ein Schwächling! Wie konnte ich mich gegen sowas wehren?

Die Szenen, die man sah, wenn man in die Psyche eines Menschen vordrang, waren selten die, die er auch nur mit irgendjemandem teilen wollte. Ich sah mir die Szenen an, doch auch mir fiel es schwer durchzuhalten, trotz meiner eisernen Hand, mit der ich mich an Legilimentik hielt. Ich betrachtete die Szenen mit größter Umsicht und Sorge, besonders als Mutter gingen sie mir wohl näher, als sie es sollten. Bis ich schließlich von dem emotionalen Schock, der mich beinahe wie eine Welle erfasste, wieder aus dem Kopf geworfen wurde. Er hatte es auf eine Art und Weise wohl geschafft, mich wieder aus seinem Kopf zu werfen, doch ich hätte wohl auch nicht mehr viel länger durchgehalten, zumindest nicht bei einem Schüler. Mr. Snape, es ist in Ordnung, es ist vorbei., sagte ich leise, während ich einen Schritt auf ihn zutrat und mich dort auf den Boden kniete, Sie sind wieder in der Realität, nicht mehr in der Vergangenheit. Niemand ist hier, der sie verletzen kann.

Es war mir peinlicher als ich vorher dachte. Vor dem Versuch, war ich mir sicher, dass ich kein Problem damit haben werde, ihr diese Erinnerungen zu zeigen. Aber es war so viel mehr, als nur die Gedanken. Ich konnte den Schmerz, die Angst und die Wut spüren. Ich hörte die Stimmen und Schreie. Ich war wieder dort. Es dauerte einen Moment bis ich den Kopf schütteln und meine Lehrerin wieder ansehen konnte. Ich rappelte mich wieder auf und reichte ihr die Hand um auch ihr auf die Beine zu helfen. "Mir fehlt nichts. Ich weiß, wo ich bin", sagte ich möglichst emotionslos. Ich brauchte ihr Mitleid nicht, ich kam gut alleine zurecht. "Wenn Sie denken, dass ich Angst vor meinem elendend Vater habe, dann irren Sie sich. Die habe ich nicht. Nicht mehr. Ich habe ihm von meiner Magie kosten lassen. Es war mir ein Verwarnung von der Ministerium wert", erzählte ich bitter und sah Professor Shin herausfordernd an. "Versuchen Sie es nochmal. So, wie diesmal. Ich möchte etwas ausprobieren", sagte ich und konzentrierte mich sofort darauf, alle Gedanken und Erinnerungen aus meinem Kopf zu verbannen.

Ich ließ mir wieder auf die Beine helfen, behielt den Schüler allerdings genau im Blick. Viele Gedanken drangen durch meinen Kopf hindurch oder hoben sich hervor, doch das morbide an der Situation war wohl, dass ich nun besser verstand, was ihn vorantrieb. Oft zeigte man seine wahre Seite nur in schrecklichen Zeiten, es herrschte in Zeiten wie diesen leider auch sehr viel Hass und Wut in allen Wesen. Und doch holt uns die Vergangenheit in der Legilimentik so einfach ein., meinte ich nachdenklich, denn auch wenn man jetzt keine Angst mehr verspürte, so konnte es doch oft sein, dass die Gefühle plötzlich wieder ganz real erschienen, weil man seine Erinnerungen erlebte. Nun gut, bereit?, fragte ich und richtete dann wieder meinen Zauberstab auf ihn, bevor ich wieder mit bestimmter Stimme sagte, Legilimens.

Da ich kein Bedarf hatte, darüber zu diskutieren, was während dem letzten Versuch passierte, nickte ich nur. Ich konzentrierte mich darauf, mein Kopf frei von jeglichen Emotionen und Gedanken zu kriegen. Stellte mir einen leeren Raum vor, wo Stille und Ruhe herrschte, wo es keine Türen und Fenster gab, wo ich sicher und alleine war. Professor Shin wirkte den Zauber noch mal und sofort spürte ich ihre Präsenz in meinem Kopf. Ich ließ sie rein in diesen Raum und stellte mir vor, dass ich alle Gefühle und Erinnerungen hinter einer dicken Mauer, außerhalb von dem Raum bewahre. Sie hat versucht durch diese Mauer zu gehen. Ab und zu erschien ein blasses Gesicht oder ein undeutiges Gegenstand, aber sie verschwanden sofort.
Ich zitterte. Es kostete mich ganz viel Kraft, die innerlichen Blockaden aufrecht zu halten. Als ich dachte, dass ich es nicht mehr länger schaffe, hob ich meinen Zauberstab und flüsterte "Protego". Der Schutzschield war schwach, aber reichte aus um die Lehrerin aus meinem Kopf rauszuwerfen. Schwer atmend, als ob ich gerade ein Marathon gelaufen bin, sah ich sie an und grinste. "Langsam begreife ich, wie es funktioniert", keuchte ich. Es war sehr anstrengend, aber ich hoffte, dass ich meine Leistung mit der fleißigen Übung und Geduld verbessern kann.

Dieses Mal konnte ich keine Erinnerungen sehen, sondern nur einen leeren Raum, keine Türen oder Fenster, sondern nur Mauern, durch die man nicht hindurchdringen konnte. Zwischendrin erkannte man durchaus wieder Teile und Bruchstücke von Erinnerungen, es war noch lange nicht perfekt, doch mit einem Schildzauber schließlich schaffte er es mich wieder aus seinem Kopf zu befördern. Ich blinzelte kurz und hielt meinen Kopf, bevor ich ihn sofort wieder losließ und mich gerade hinstellte. Ein tatsächliches Grinsen fand sich auf den Lippen des Schülers vor mir wieder. Das war ausgezeichnet, ein großartiger Anfang., lobte ich ihn ehrlich, denn es war nicht einfach diese große Kontrolle zu halten, aber er hatte es geschafft, zumindest zu einem großen Teil.

"Danke Professor!", sagte ich zufrieden. Ich fühlte mich immer noch schwach, aber das kleine Erfolg beflügelte mich. "Und wie kann ich das jetzt perfektionieren?", fragte ich. "Ich meine, wenn ich weiß dass der Angriff kommt, kann ich mich konzentrieren und vorbereiten, aber was mache ich, wenn es überraschend passiert?", wollte ich wissen.

Zum Beispiel im Schlaf ist man besonders verwundbar, es hilft daher immer vorher seinen Kopf zu leeren, ähnlich wie zuvor, anstatt über seinen Tag nachzudenken., beantwortete ich die durchaus berechtigte Frage. Es war schwierig einen überraschenden Angriff abzuwehren, vor allem für einen Okklumentor, der gerade erst mit seiner Ausbildung begann. Später konnte man seine Erinnerungen regelrecht währenddessen abändern, sodass nur gewünschte Teile zu sehen waren, doch anfangs gab es nur einige kleinere Methoden. Wenn es schon zu spät ist, dann ist es eine Frage der immensen mentalen Leistung, bei einem spontanen Angriff die Stärke zu besitzen, um sich auch während der Erinnerung einen solche leeren Raum schaffen zu können. Eine andere Methode ist sich auf andere unwichtige oder ablenkende Details seiner Erinnerung zu konzentrieren, nehmen wir an ich sehe eine Erinnerung mit ihrer Freundin Miss Evans, dann hilft es bereits sich in seiner Erinnerung auf... das Gespräch der Hufflepuffs im Hintergrund zu konzentrieren. Vergessen Sie nie, ein Legilimentor sieht nur das, was Sie ihn auch sehen lassen.

Ich hörte aufmerksam zu. Es war interessant, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gab, sich von der Okklumentik zu wehren. Natürlich waren die Methoden nicht einfach und benötigten sowohl einen starken Geist und sehr große Konzentration. Kurz hatte ich Zweifeln, ob ich es je soweit perfektionieren werde, dass ich mich gegen einen starken Legilimentor beweisen könnte. "Es ist sehr komplex, was sie hier erzählen Professor", bemerkte ich nachdenklich. "Ist es auch möglich, während der geistigen Attacke den Spieß umzudrehen und anstatt sich nur zu verteidigen, den Angreifer zu attackieren?", fragte ich.

Theoretisch ja, müsste es möglich sein, aber zumindest ich habe es noch nie erlebt., gab ich zu, denn ich hatte es zumindest noch nie am eigenen Leibe erlebt, andererseits war es sehr wohl möglich. Ich war mir nicht sicher, ob es auch gleichzeitig möglich wäre, aber ich überlegte gar nicht lange, bevor ich die Möglichkeiten einfach laut erläuterte, Man müsste den Zauber wohl reflektieren, mit einem Schildzauber eventuell. Es würde aber wohl einiges an Glück brauchen, ansonsten kann man jedenfalls zuerst den Zauber abwehren und dann seinen eigenen Angriff sofort starten. Man kann sich jedenfalls nicht gleichzeitig in seinem eigenen und in einem anderen Kopf befinden, also würde ein erfolgreicher Gegenangriff auf jeden Fall die Attacke abbrechen.

Müde rieb ich mir die Stirn. "Ich werde eine Ewigkeit brauchen, um das alles zu lernen", maulte ich ein wenig. Natürlich verstand ich, dass es eine komplexe Fähigkeit war und gewisse Zeit und Übung brauchte, um sie sich anzueignen. Aber je mehr ich lernte, desto mehr Fragen hatte ich auch. Etwas verzweifelt sah ich zu der Lehrerin.



(Tut mir leid, dass ich so lange nicht geantwortet habe. Wir können gerne den Unterricht beenden - mit oder ohne Hausaufgaben - und eine Pause machen)

(das können wir gerne so machen)

Ein anderer, wenig talentierter Schüler würde dafür vermutlich eine Ewigkeit brauchen. Aber Sie haben bereits außerordentliche Fortschritte gemacht. Man könnte sagen es wäre arrogant andere Schüler als weniger talentiert zu bezeichnen, doch für mich war es schlicht und einfach realistisch. Verschiedene Schülerinnen und Schüler hatten nun einmal verschiedene Talente und Schwachstellen und lange nicht jeder konnte zu einem guten Okklumentor werden. Als Hausübung möchte ich, dass Sie versuchen vor dem Schlafengehen ihren Kopf vollständig zu leeren. Ihn so leer zu machen, dass theoretisch niemand der versuchen würde an Ihnen Legilimentik auszuüben, auch nur einen Hauch einer Erinnerung oder eines Gefühls zu Gesicht bekäme. Es war eine einfache Anfangsübung und doch sehr effektiv, besonders wenn man schlafen ging. Mr. Snape musste selbstverständlich keine Sorgen vor Angriffen im Schlaf haben, zumindest hoffte ich das, aber je mehr er es üben würde, desto besser. Die Kontrolle über die eigenen Gefühle und Gedanken war keine einfache.